„Out of the norm?! Current perspectives on language and gender”

Internationale und interdisziplinäre Tagung

 

Kurzfristige Programmänderung: Der Vortrag von Eduardo Alves Vieira am Donnerstag, 06.10., muss leider entfallen. Der Vortrag von Heiko Motschenbacher wird daher auf 09:45 Uhr verschoben, sodass das Programm am Donnerstag nicht um 09:00 Uhr, sondern erst um 09:45 Uhr beginnt.


Termin

Mittwoch, 05.10.2022, 15:00 Uhr – Freitag, 07.10.2022, 13:15 Uhr

Ort
– Tag 1: KH 1.011 (Kollegienhaus), Universitätsstraße 15, 91054 Erlangen
– Tage 2 und 3: 00.15 PSG, Kochstraße 6a, 91054 Erlangen

Teilnahme
Hybride Veranstaltung – Eine Teilnahme ist sowohl online als auch vor Ort möglich. Für eine Teilnahme über Zoom genügt eine kurze E-Mail an miriam.zapf@fau.de.

 

Beschreibung

Spätestens seit der zweiten Welle des Feminismus rückte das Verhältnis zwischen Sprache und Geschlecht bzw. Gender in den Fokus verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen und wurde zunehmend auch von einer breiteren Öffentlichkeit diskutiert. In der Linguistik wurde die Debatte über die Frage, ob Frauen in der Sprache diskriminiert werden, zunächst im angloamerikanischen Raum angestoßen (Key 1975, Lakoff 1975) und breitete sich rasch auch in anderen Ländern aus (vgl. hierzu z.B. den Schlagabtausch zwischen Trömel-Plötz 1978, Kalverkämper 1979 und Pusch 1979 im deutschsprachigen Raum).

Bis heute stehen sich bei der Frage, wie Sprache und Gender zusammenhängen, in der Linguistik zwei Fronten gegenüber: Die eine Seite bestreitet einen Zusammenhang zwischen Genus und Sexus/Gender, u.a. unter Verweis auf strukturalistische Konzepte, indem sie argumentiert, dass das Merkmal [männlich] bei der generischen Verwendung des Maskulinums neutralisiert werden kann; das Maskulinum stellt demnach das unmarkierte, „neutrale“ Genus dar, das sowohl auf Männer als auch auf Frauen referieren kann (vgl. z.B. Martínez 2008, Bosque 2012, Gauger 2017). Die andere Seite stützt sich u.a. auf die Ergebnisse psycholinguistischer Untersuchungen, die zeigen, dass Personen in Experimenten „generische“ Maskulina häufig gerade nicht generisch, sondern mit einem male bias interpretieren (vgl. z.B. Nissen 1997, Stahlberg/Sczesny/Braun 2001, Brauer/Landry 2008, Gygax et al. 2008, Ferstl/Dietsche 2017, Kim et al. 2022), woraus sie folgern, dass Genus kognitiv mit Sexus/Gender assoziiert wird.

Oft spielen in der (gesellschaftlichen, aber auch öffentlichen) Debatte über Sprache und Gender Vorstellungen von Norm und Abweichung eine zentrale Rolle. So wird i.d.R. die Verwendung des „generischen“ Maskulinums als Normalfall, die Verwendung gender-inklusiver Formulierungen hingegen als Abweichung davon konstruiert. Auch im Bereich gender-basierter Stereotype äußern sich Konzepte von Norm und Abweichung: Durch Rollenbilder wird immer auch eine Form gesellschaftlicher Normalität aufgerufen; bestimmte Verhaltensweisen gelten folglich als „normal“ und „richtig“, während Verhaltensweisen, die dem nicht entsprechen, als in irgendeiner Weise ungewöhnlich wahrgenommen und häufig auch gesellschaftlich sanktioniert werden.
Unter Einbezug von Ansätzen der Queer Theory (Queer Linguistics) treten Fragen nach der Norm besonders in der Kritik an der in den untersuchten sprachlichen Phänomenen geäußerten Heteronormativität zutage (z.B. Degele 2005, Motschenbacher 2012, Leap 2015, Stegu 2021).
Darüber hinaus zeigt sich in der in sprachlichen Strukturen wie dem Genus bei Personenbezeichnungen verankerten und gesellschaftlich häufig als gegeben angenommenen Binarität des Geschlechts eine weitere Normsetzung: Personen, die sich mit einem der beiden „traditionellen“ Geschlechter identifizieren, werden als Norm konstruiert, nicht-binäre Personen als Abweichung.

Das Ziel dieser internationalen und interdisziplinären Tagung besteht darin, den Zusammenhang zwischen Sprache und Gender aus unterschiedlichen Perspektiven und Disziplinen zu beleuchten. Die Vorträge stammen aus der Romanistik, der Germanistik, der Anglistik und weiteren Disziplinen; sie untersuchen das Thema u.a. mithilfe psycho-, sozio-, diskurs- und queerlinguistischer Ansätze.

Darüber hinaus wird der wissenschaftliche Diskurs durch die zivilgesellschaftliche Perspektive ergänzt. Zwei Keynotes aus den Bereichen Politik sowie Kunst und Kultur werden das Thema Gender auf dieser Ebene diskutieren.

 

Programm

Das Programm kann hier heruntergeladen werden: program_OutoftheNorm

Das Booklet mit allen Abstracts findet sich hier: booklet_OutoftheNorm

 

Organisation

Miriam Zapf
Lehrstuhl für Romanistik (insbesondere Sprachwissenschaft)
FAU Erlangen-Nürnberg

Andrea Chagas López
Romanisches Seminar
Universität Mannheim

Prof. Dr. Silke Jansen
Lehrstuhl für Romanistik (insbesondere Sprachwissenschaft)
FAU Erlangen-Nürnberg

 

Die Tagung wird mit Mitteln des Büros für Gender und Diversity und des Visiting Professor Programme der FAU sowie der Dr. Alfred-Vinzl-Stiftung unterstützt.

 

Zitierte Werke:

Bosque, Ignacio (2012): Sexismo lingüístico y visibilidad de la mujer. Madrid: Real Academia Española.

Brauer, Markus/Landry, Michaël (2008): „Un ministre peut-il tomber enceinte ? L’impact du générique masculin sur les représentations mentales.“ L’Année psychologique 108/2: 243–272.

Degele, Nina (2005): „Heteronormativität entselbstverständlichen. Zum verunsichernden Potenzial von Queer Studies.“ Freiburger FrauenStudien: Zeitschrift für interdisziplinäre Frauenforschung 11/17: 15–39.

Ferstl, Evelyn/Dietsche, Lena (2017): „Is gender-fair language needed? How grammatical gender influences representations of discourse referents.“ In: Proceedings of the 39th Annual Meeting of the Cognitive Science Society. London: Cognitive Science Society, 3706.

Gauger, Hans-Martin (2017): „Herr Professorin?“ In: Die Teufelin steckt im Detail: Zur Debatte um Gender und Sprache, Antje Baumann/André Meinunger (Hrsg.). Berlin: Kulturverlag Kadmos, 71–92.

Gygax, Pascal/Gabriel, Ute/Sarrasin, Oriane/Oakhill, Jane/Garnham, Alan (2008): „Generically Intended, but Specifically Interpreted: When Beauticians, Musicians, and Mechanics Are All Men.“ Language and Cognitive Processes 23/3: 464–485.

Kalverkämper, Hartwig (1979): „Die Frauen und die Sprache.“ Linguistische Berichte 62: 55–71.

Key, Mary Ritchie (1975): Male/Female Language. With a Comprehensive Bibliography. Metuchen, NJ: Scarecrow Press.

Kim, Jonathan/Angst, Sarah/Gygax, Pascal/Gabriel, Ute/Zufferey, Sandrine (2022): „The masculine bias in fully gendered languages and ways to avoid it: A study on gender neutral forms in Québec and Swiss French.“ Journal of French Language Studies: 1–26.

Lakoff, Robin Tolmach (1975): Language and Woman’s Place. New York: Harper & Row.

Leap, William L. (2015): „Queer Linguistics as Critical Discourse Analysis.“ In: The Handbook of Discourse Analysis, Deborah Tannen/Heidi Ehernberger Hamilton/Deborah Schiffrin (Hrsg.). Chichester, West Sussex: Wiley Blackwell, 661–680.

Martínez, José Antonio (2008): El lenguaje de género y el género lingüístico. Oviedo: Universidad de Oviedo.

Motschenbacher, Heiko (2012): „Queere Linguistik. Theoretische und methodische Überlegungen zu einer heteronormativitätskritischen Sprachwissenschaft.“ In: Genderlinguistik. Sprachliche Konstruktionen von Geschlechtsidentität, Susanne Günthner/Dagmar Hüpper/Constanze Spieß (Hrsg.). Berlin, Boston: De Gruyter, 87–127.

Nissen, Uwe Kjær (1997): „Do Sex-Neutral and Sex-Specific Nouns Exist: The Way to Nonsexist Spanish?“ In: Konstruktion von Geschlecht, Ursula Pasero/Friederike Braun (Hrsg.). Pfaffenweiler: Centaurus, 222–241.

Pusch, Luise F. (1979): „Der Mensch ist ein Gewohnheitstier, doch weiter kommt man ohne ihr – Eine Antwort auf Kalverkämpers Kritik an Trömel-Plötz‘ Artikel über ‚Linguistik und Frauensprache‘.“ Linguistische Berichte 63: 84–102.

Stahlberg, Dagmar/Sczesny, Sabine/Braun, Friederike (2001): „Name Your Favorite Musician. Effects of Masculine Generics and of Their Alternatives in German.“ Journal of Language and Social Psychology 20/4: 464–469.

Stegu, Martin (2021): „Queere Linguistik: Potenzial, Probleme, Grenzen.“ Muttersprache 131/2: 159–171.

Trömel-Plötz, Senta (1978): „Linguistik und Frauensprache.“ Linguistische Berichte 57: 49–68.